[IPO] Erinnerung CfP: Politik und Ökonomie in globaler Perspektive: Der (Wieder) Aufstieg des Globalen Südens
Andreas Nölke
a.noelke at soz.uni-frankfurt.de
Sa Jun 4 00:33:07 CEST 2011
Liebe IPÖ-KollegInnen,
hiermit eine Erinnerung an den Call, der am 15.6. ausläuft.
Mit besten Grüßen
Andreas Nölke
--
http://www.uni-frankfurt.de/ipe
Politik und Ökonomie in globaler Perspektive: Der (Wieder)
Aufstieg des Globalen Südens
Tagung der DVPW-Sektion „Entwicklungstheorie und
Entwicklungspolitik“, in Zusammenarbeit mit den Sektionen
„Internationale Beziehungen“ und „Politische Ökonomie“ sowie den
Arbeitskreisen „Demokratieforschung“ und „Internationale
Politische Ökonomie“
Goethe Universität, Frankfurt am Main, 5. bis 7. März 2012
Abstracts (max. 500 Wörter) bitte bis zum 15. Juni 2011
an [1]a.noelke at soz.uni-frankfurt.de[2].
Der Aufstieg von „Schwellenländern“ wie Brasilien, Indien oder
China gehört seit mehr als zehn Jahren zu den bestimmenden Themen
der politikwissenschaftlichen Diskussion über Politik und
Wirtschaft im globalen Raum. Diese “Rising Powers“ weisen sehr
hohe Wachstumsraten auf und werden bei einer Fortsetzung dieses
Trends binnen einer Generation die Länder der Triade (Westeuropa,
Japan und die USA) hinsichtlich ihres wirtschaftlichen Gewichts
überholen; wenn Länder wie Mexiko, Südafrika, Rußland, Ägypten,
die Türkei, Saudi-Arabien, Südkorea oder Indonesien
(sinnvollerweise) miteinbezogen werden, sogar noch früher.
Erwartet wird zugleich, dass diese Verschiebung nicht nur auf den
wirtschaftlichen Bereich beschränkt bleibt, sondern auch
weitreichende politische Konsequenzen haben wird, zumal diese
Staaten inzwischen nicht nur in globalen Institutionen wie der
G20 oder dem Internationalen Währungsfonds prominent vertreten
sind, sondern sich zugleich auch eigenständig organisieren und
gemeinsame Positionen artikulieren (zum Beispiel im Rahmen von
IBSA, auf den Klima- und Biodiversitätskonferenzen oder
sicherheitspolitisch in der Shanghai Cooperation Organisation.
Seit der Finanzkrise hat sich dieser Aufstieg noch beschleunigt
und wirft nun interessante Fragen für eine Vielzahl
politikwissenschaftlicher Teildisziplinen auf, von den
Internationalen Beziehungen/der Internationalen Politischen
Ökonomie über Entwicklungspolitik/Entwicklungstheorie bis hin zur
Vergleichenden Politischen Ökonomie und der Vergleichenden
Politikforschung.
1) Zunächst stellt sich die Frage nach den Ursachen dieses
ökonomischen Aufstiegs und seiner Verstetigung. Diese Ursachen
können sowohl innerhalb dieser Länder als auch in der Entwicklung
der Weltwirtschaft liegen, sie können im ökonomischen wie im
politischen Bereich angesiedelt sein. Insbesondere aus der Sicht
der Vergleichenden Politischen Ökonomie stellt stellt sich die
Frage nach den Besonderheiten des Kapitalismus in diesen Staaten
(im Vergleich zu den etablierten OECD-Modellen) sowie
insbesondere auch nach dem spezifischen Verhältnis zwischen
Politik und Ökonomie dort – läßt sich dieses Verhältnis mit
unseren etablierten theoretischen Modellen (z. B. von „regulatory
capture“) gut erfassen? Welchen Anteil hat das „institutionelle
Design“ am Entwicklungserfolg?
2) Ähnliche Fragen stellen sich auch aus der Sicht der
Vergleichenden Politikforschung. Insbesondere der offensichtliche
wirtschaftliche Erfolg autokratischer Regime belebt die
Diskussion über den Zusammenhang von Regimetyp und
Wirtschaftsentwicklung. Gleichzeitig gerät die Diskussion über
den Zusammenhang zwischen staatlichen Maßnahmen und
Entwicklungserfolg wieder stärker in den Blickpunkt der
politikwissenschaftlichen Diskussion – welchen Anteil hat der
„developmental state“ am Aufstieg dieser Länder? Gibt es ein
neues „role model“ für erfolgreiche staatliche Maßnahmen?
3) Etwas genereller gefasst: gibt es so etwas wie eine
„Schwellenländer-Entwicklungstheorie“, welche endogenen und
exogenen Faktoren würde diese hervorheben? Und wie läßt sich der
(Wieder-) Aufstieg dieser Schwellenländer aus der Sicht von
etablierten Theorien über das Verhältnis von Nord und Süd
erklären, etwa der Weltsystemtheorie? Aus der
entwicklungspolitischen Diskussion gibt es vielfältige Hinweise,
wie die etablierten Institutionen der globalen Wirtschaftsordnung
Entwicklungsbestrebungen in armen Ländern behindern. Warum ist es
den großen Schwellenländern trotzdem gelungen, sich zu so
dynamisch zu entwickeln? Welche Rolle hat schließlich die globale
Finanzkrise bei der Beschleunigung des Aufstiegs dieser Länder
gespielt? Führen die Nachwirkungen dieser Krise bereits jetzt zu
einem (relativen) Niedergang der Triade und zur Herausbildung
eines polyzentrischen Weltsystems?
4) Ein zweiter, mindestens ebenso interessanter, wenn auch
aktuell zunächst nur in Ansätzen systematisch zu beantwortender
Fragenkomplex gilt den Konsequenzen aus dem (Wieder) Aufstieg des
globalen Südens. Angesichts des frühen Stadiums dieser
Entwicklungen wären zur Beantwortung vor allem Studien
interessant, die von einem klaren theoretischen Bezugsrahmen
ausgehen. Aus der Sicht der Vergleichenden Politische Ökonomie
geht es hier beispielsweise um die Implikationen des Aufstiegs
dieser Länder für die Entwicklung des Kapitalismus generell, z.B.
im Sinne einer Abkehr von besonders liberalen
Kapitalismusmodellen oder auch im Sinne einer globalhistorischen
Betrachtung des Kapitalismus, die sich mit dem Aufstieg (und
Niedergang?) Europas im Rahmen von Kolonialismus und
Imperialismus, inbesondere im Vergleich zu Asien beschäftigt.
Spezifischer: was bedeutet der Aufstieg dieser Ökonomien für den
deutschen Kapitalismus? Letzterer scheint ja bisher vom Aufstieg
der Schwellenländer besonders zu profitieren. Ist zu erwarten,
dass sich diese Tendenz dauerhaft fortsetzt, oder gibt es
mittelfristig hier eine neue Herausforderung? Wie wirken sich die
stark zunehmenden Direktinvestitionen von Unternehmen aus großen
Schwellenländern auf die Institutionen des deutschen Kapitalismus
aus, zum Beispiel die Mitbestimmung? Welche Konsequenzen ergeben
sich für andere OECD-Ökonomien, welche ökonomischen Sektoren
gewinnen, welche verlieren?
5) Nicht nur die Folgen für die westlichen Gesellschaften sind
politikwissenschaftlich interessant, auch jene für jene der
Schwellenländer selbst sowie andere Staaten des globalen Südens,
etwa durch verstärkte Süd-Süd-Investitionen und Handelsabkommen.
Welche Konsequenzen ergeben sich für die Entwicklungsstrategien
und Chancen anderer Staaten, angesichts des relationalen
Charakters von Entwicklung? Entwicklungspolitisch ergibt sich
zudem eine besondere Herausforderung etablierter Diskurse: Löst
ein „Beijing-Consensus“ wirklich den „Washington-Consensus“ ab –
und wie beeinflussen die Aktivitäten der „Emerging Donors“ die
Handlungsspielräume von „Entwicklungsländern“? Die Forschung zum
Globalen Süden verweist allerdings auch auf die deutlichen
Schattenseiten des Aufstiegs der Schwellenländer, insbesondere
auch die dramatisch gestiegende Ungleichheit und der Anstieg der
Armut in einigen dieser Gesellschaften. Ergeben sich hier Risiken
für die weitere Entwicklung von Politik, Gesellschaft und
Ökonomie in diesen Staaten? Wohin führen ihre – nicht unbedingt
homogenen – Entwicklungspfade?
6) Besonders interessant sind natürlich die Konsequenzen des
Aufstiegs des Globalen Südens für die internationale
Wirtschaftsordnung und die internationale Politik allgemein.
Welche Normen zu einer gerechten Weltwirtschaftsordnung werden
von diesen Ländern vertreten? Wie schlagen sich die veränderten
Gewichte in den globalen Regulierungsinstitutionen nieder? Gibt
es einen Wandel von Governanceformen, weg von der
(angelsächsischen) Betonung privater Selbstregulierung und hin zu
neomerkantilistischen Verhaltensweisen? Welche Konzepte und Ideen
bringen Schwellenländer beispielsweise in der Energie-, Umwelt-
und Klimapolitik ein, und wie konfrontieren sie etablierte
Governancemuster? Übernehmen diese Länder selbst bereits die
Bereitstellung öffentlicher Güter? Gibt es eine Neuauflage der
Diskussion über eine „Neue Weltwirtschaftsordnung“, ähnlich wie
nach dem OPEC-Schock in den 1970er Jahren? Welche Konsequenzen
ergeben sich für die „internationale Zivilgesellschaft“, in der
ja bisher amerikanische oder europäische NGOs aufgrund ihrer
Ressourcen und ihrer Nähe zu den politischen Entscheidungszentren
tonangebend waren? Nehmen die aufstrebenden Schwellenländer die
klassische Rolle regionaler Ordnungsmächte wahr oder beanspruchen
sie Führungsrollen in einzelnen Politikfeldern? Inwieweit bilden
sich sicherheits- und geopolitische Gegenhegemonien heraus? Sind
wir aktuell Zeugen des Niedergangs eines (US) Hegemoniezyklus und
des Beginns eines neuen (chinesischen) Zyklus? Wird ein solcher
Übergang („power transition“) friedlich oder konfliktreich
erfolgen?
Der Aufstieg der Schwellenländer wirft also eine Vielzahl von
Fragen auf, die in unterschiedlichen politikwissenschaftlichen
Teildisziplinen recht unabhängig voneinander bearbeitet werden.
Bisher fehlt es jedoch – auch wegen einer gewissen
intradisziplinären Fragmentierung – an einer Plattform, bei der
die unterschiedlichen Diskussionsstränge zusammengeführt werden,
um sich gegenseitig zu befruchten. Gleiches gilt für das
Verhältnis zwischen der politikwissenschaftlichen Fachdiskussion
und jener in den eher anwendungsorientierten Institutionen der
Area-Studien und Entwicklungsforschung (DIE, GIGA etc). Die
Tagung bietet eine gute Gelegenheit, um den Stand der bisherigen
Diskussion aufzuarbeiten und Perspektiven für weiterführende
Forschung aufzuzeigen. Wir laden PolitikwissenschaftlerInnen, die
sich mit dem Aufstieg der großen Staaten des Südens und dessen
Konsequenzen beschäftigen, ein, ihre theoretischen und
empirischen Befunde auf dieser Tagung der DVPW-Sektion
Entwicklungspolitik zu präsentieren.
References
1. mailto:a.noelke at soz.uni-frankfurt.de
2. mailto:a.noelke at soz.uni-frankfurt.de
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